Der Terrorist aus dem Seefeld

Kommentare (2)

Einfach Zürich

Lieber Herr Behrendes Vielen Dank für diese spannende Ergänzung. Allerdings funktioniert der Link leider nicht. Können Sie diesen bitte nochmal überprüfen und uns schicken? Gerne an info@einfachzuerich.ch

Udo Behrendes

Der Podcast basiert in erster Linie auf Ulrike Edschmids brilliant geschriebenen Roman „Das Verschwinden des Philipp S.“, der kürzlich im „SPIEGEL-Literaturkanon der 100 besten Bücher der letzten 100 Jahre“ gelistet wurde („Edschmid will den Menschen aus dem Terroristen herausschälen, nicht andersherum.“). In der Tat erscheint der darin beschriebene tragische Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Werner „Philipp“ Sauber in den unruhigen Zeiten rund um „1968“ als „filmreif“. Zum Abschluss beschäftigt sich der Podcast mit den dramatischen Ereignissen in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1975, in der Werner Sauber auf einem Parkplatz in Köln-Gremberg von Polizisten erschossen worden ist. Zur Rekonstruktion des Geschehens bezieht er sich auf Schilderungen in Romanen und Zeitungsberichten. Für eine faktenbasierte Verfilmung wäre hierzu jedoch dringend eine Erweiterung der Recherche zu empfehlen: In seinem Urteil vom 26.7.1977 hat sich das Landgericht Köln nach 54 Verhandlungstagen auf 135 DIN-A-4-Seiten dezidiert mit den dramatischen Minuten in dieser Nacht und den handelnden Personen auseinandergesetzt und darüber hinaus mehrere gerichtsmedizinische Untersuchungen und Sachverständigengutachten ausgewertet. Hier eine knappe Zusammenfassung der vom Gericht ausführlich begründeten Erkenntnisse über Ausgangslage und Ablauf der Schießerei: Werner Sauber und seine Begleiter K.R. und R.O. saßen zu Beginn der polizeilichen Kontrollmaßnahmen in dem auf K.R. zugelassenen Pkw. Jeder von ihnen führte eine schussbereite Pistole mit sich. Werner Sauber hatte darüber hinaus eine Tasche mit Werkzeugen dabei, die zum Aufbruch von Autos geeignet waren. Er und R.O., die beide wegen Banküberfällen per Haftbefehl gesucht wurden, händigten den kontrollierenden Beamten gefälschte Ausweispapiere aus. Alle drei mussten also konkret befürchten, im Rahmen der weiteren Kontrolle vorläufig festgenommen zu werden. Die kontrollierenden Polizeibeamten gingen ihrerseits während der gesamten Kontrollmaßnahme von einem Routineeinsatz (Verdacht auf „Autoknacker“) aus. Sie nahmen weder die verdeckt getragenen Schusswaffen der im Auto sitzen gebliebenen Personen wahr noch erkannten sie unmittelbar die Fälschungen der ausgehändigten Papiere. Zu diesem Zeitpunkt wussten sie auch noch nicht, dass über K.R., der sich als einziger mit Originaldokumenten ausgewiesen hatte, Erkenntnisse zu linksextremistischen Aktivitäten vorlagen. In dieser aus Sicht der Polizisten statischen Kontrollsituation versuchte Werner Sauber plötzlich zu fliehen. Er riss die Beifahrertür auf und schoss im Wegrennen auf die neben dem Fahrzeug postierten Polizeibeamten Walter Pauli und D.G.. Beide Beamte schossen nun, ebenso wie derjenige Polizist, der über Funk von seinem Polizeifahrzeug aus gerade die Überprüfung der Personaldaten durchführte, auf Werner Sauber, der während seiner Flucht noch weitere Schüsse abgab. Werner Sauber hat mit seinen Schüssen aus dem großkalibrigen „Colt Commander“ einen Menschen getötet und zwei lebensgefährlich verletzt: Mit seinem ersten Schuss traf er den Oberarm Walter Paulis und Sekunden später mit einem weiteren Schuss dessen Herz. Darüber hinaus fügte er mit zwei Schüssen dem Polizisten D.G. und mit einem weiteren Schuss auch seinem eigenen Begleiter K.R. schwere Verletzungen zu. Nach der gerichtsmedizinischen Untersuchung wurde Werner Sauber von 6 Patronen aus polizeilichen Pistolen (3 Durchschüsse, 3 Steckschüsse) getroffen. An seinem Körper befanden sich darüber hinaus Verletzungen durch einen Stacheldraht, in den er bei seiner Flucht hineingerannt war. Das Landgericht Köln hat K.R. und R.O., die beide ursprünglich wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt worden waren, in der Gesamtbetrachtung lediglich wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Urkundenfälschung (R.O.) verurteilt. Die Darstellung der Angeklagten, man habe sich an diesem Abend zufällig getroffen und bei einem Spaziergang über dem Parkplatz in Köln-Gremberg lediglich die Beine vertreten wollen, war für das Gericht nicht zu widerlegen. Darüber hinaus stritten K.R. und R.O. ab, dass es Absprachen zum Umgang mit einer potentiellen Polizeikontrolle gegeben habe. Eine Mittäterschaft an dem von Werner Sauber begangenen Tötungsdelikt war daher für das Gericht nicht nachweisbar. Zum 40. Jahrestag des Ereignisses wurde im Mai 2015 bei einer Veranstaltung in Köln nicht nur an den „blutjungen“ Werner Sauber (damals 28), sondern auch an den „blutjungen“ Walter Pauli (damals 22) erinnert, der von Werner Sauber erschossen worden war und der in dem Podcast nur in einem Halbsatz erwähnt wird. Diese Gedenkveranstaltung war gemeinsam mit Ulrike Edschmid konzipiert worden. An ihr nahmen mehrere der am damaligen Geschehen unmittelbar oder mittelbar beteiligten Polizeibeamten teil. Jürg Sauber, der jüngere Bruder von Werner Sauber, war extra aus Zürich angereist. Die ebenfalls eingeladenen damaligen Begleiter von Werner Sauber hatten eine Teilnahme abgelehnt. Eine Dokumentation der Veranstaltung kann hier eingesehen bzw. heruntergeladen werden: https://deref-web.de/mail/client/w1M4XTx2lTY/dereferrer/?redirectUrl=https%3A%2F%2Fwww.viwa.nrw%2Fveranstaltungen-vortr%25C3%25A4ge-fortbildung%2F Udo Behrendes, Polizeibeamter a.D. (zuletzt im Polizeipräsidium Köln)

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